MARKENABHÄNGIGKEIT
Wie in AR 10/2010 berichtet, hat sich die Schloss-Garage in Winterthur
zu 100 Prozent der Marke Alfa Romeo verschrieben. Daraus ergibt sich mittlerweile
eine schwierige Konstellation. Wie geht man um mit einem Portfolio von nur zwei
Modellen?
JÜRG WICK
Winterthur; die in Gedanken häufig übergangene Schweizer
Grossstadt, die sechstgrösste immerhin, und seit dem 3. Juli 2008 über 100 000
Einwohner zählend, rühmt sich, Stadt der Pioniergeists und der Innovationen zu
sein. Die erste chemische Fabrik, die erste Eisengiesserei der Schweiz, das
erste künstliche Hüftgelenk, Ventildampfmaschinen, die Sulzer Schiffsdiesel,
Maggi, Stewi…. Und heute, im Zeitalter der Dienstleistung der innovativste Alfa
Romeo-Vertreter. So nimmt es zumindest die Fiat Group Switzerland in Schlieren
war; in Winterthur ist die Marke schweizweit am besten vertreten, sowohl der
MiTo als auch die Giulietta erreichen mehr als doppelt so hohe Marktanteile wie
in den übrigen Regionen.
"Dies allein reicht aber nicht, um die von uns
getätigten Investitionen zu rechtfertigen", sagt Christian Maier,
Geschäftsführer in der vierten Generation. Man ging bei der Projektierung der
Betriebserweiterung im Jahr 2007 davon aus, dass sich die Netze der einzelnen
Marken in der Schweiz weiter ausdünnen würden, hatte Einsicht in die
Modellpläne von Alfa Romeo, und kam trotz mehreren Offerten zum Schluss, dass
auf Exklusivität, statt auf Markenwelten zu setzen, der erfolgversprechendere
Weg in die Zukunft sein würde. Zusätzlich Fiat und oder Lancia war für die
Schloss-Garage nie ein Denkmodell.
NEUHEITEN
ZURÜCKGESTELLT
Dann die Wirtschaftskrise, ausgelöst in den USA mit den
Insolvenzen von Chrysler und GM, dann der Coup von Sergio Marchionne, die Fiat
Group mit Chrysler zu verschmelzen, dann das rigorose Sparprogramm von
Marchionne in Europa; alle laufenden Produktpläne für Alfa Romeo werden für ein
bis zwei Jahre zurückgestellt. Der Italo-Kanadier weiss eben schon, was er an
Alfa hat; diesen Brand kann man praktisch nicht ruinieren. So dachten übrigens
auch die Maier`s, als sie sich für die weitere und exklusive Treue zu Alfa
entschieden hatten.
Nur, dass es so dick kommen würde, entzog sich ihrer
Vorstellungskraft. Aber noch gereicht es dieser rigiden Politik mit lediglich
zwei Modellen - einem Dreitürer (MiTo) und einem Fünftürer (Giulietta) - der
Schloss-Garage nicht zum Nachteil, ganz im Gegenteil. "Im Moment können
wir noch profitieren", so Christian Maier. Die allermeisten seiner
Händlerkollegen würden mittlerweile auf mindestens zwei Hochzeiten tanzen, und
wegen der Inaktivität von Alfa Romeo die Italiener zumindest bei der
Lagerbewirtschaftung automatisch vernachlässigen. In Winterthur dagegen sei
jede Farbe und jede Motorisierung vorrätig, "so dass wir auch dank dem
Internet unseren Kundekreis kontinuierlich weit über unser eigentliches
Bearbeitungsgebiet ausdehnen können". Die Schloss-Garage gewinnt
inzwischen rund 30 Prozent der Neukunden über das Web.
RATIONELL ARBEITEN
Es geht aber weiter, und setzt im After Sales an. Der
Werkstattumsatz konnte in kurzer Zeit praktisch verdoppelt werden. Das führte
dazu, dass man verschiedene Standartarbeiten routinierter erledigen konnte, als
es die Regel ist. Als Konsequenz konnte man z.B. Zahnriemenwechsel günstiger
und zum Festpreis anbieten. "Wir haben einen Mechaniker, der macht nur
das, und der macht entschieden weniger Fehler, als wenn er bloss, sagen wir,
wöchentlich einmal mit dieser Arbeit betraut wäre".
Ähnlich verhält es sich im Verkaufsbereich. Man hat zur Zeit
derart viel mit administrativen Aufgaben zu tun, dass man nur mit der
Konzentration auf eine Marke noch einigermassen nachkommt, statt Geld zu
verlieren.
"Momentan können wir von der aktuellen Situation bei
Alfa Romeo noch profitieren" so Maier, "wir kommen bei den Verkäufen
mit der Giulietta in die Nähe des Golf - die Technik und das Styling gleichen
sich ja immer mehr an - aber mittelfristig müssen wir uns schon Sorgen machen".
Sehnsüchtig wartet man auf die versprochene Giulia, deren Premiere um zwei
Jahre zurückgesetzt worden ist. Vorerst ist ein Coupé in Aussicht gestellt, das
auf der Basis des KTM-X-Bow aufbaut, und bei Dallara produziert werden soll.
Nicht`s Genaues weiss man nicht, "..wenn es zeitnah kommt, könnte das
Frugalcoupé ein Hammer werden".
POLITTALK
Inzwischen hält man sich mit unkonventionellen Events bei
Laune. Zum Beispiel mit einem Polittalk im Vorfeld der Winterthurer
Stadtratswahlen. Die drei aus Sicht der Winterthurer Garage-Unternehmung
valablen Kandidaten haben sich der Einladung gestellt, und überraschend viele
Kunden sind gekommen, haben nicht nur zugehört, sondern auch Fragen gestellt.
"Wir mussten dazu nicht allzu viele Autos wegstellen.." meint
Christian Maier ironisch.
Giulia, Giulia SW, Spider (aus Japan !), Alfa SUV, alles
nach hinten verschoben: Marchionne scheint die Überlebensfähigkeit der Alfa
Romeo-Händler überdehnen zu wollen.
Immerhin hat sich zwischenzeitlich der Importeur in
Winterthur gemeldet, und das eigentlich Undenkbare denkbar gemacht; der auf
ganz wenige Händler in der Schweiz beschränkte Brand Abarth wurde der Schloss-Garage
angeboten. "Weil sich Alfa Romeo und Abarth in keinster Weise
stören", so Christian Maier, "ist dies für uns eine denkbare Option,
zumal wir
mit unserem zweigeteilten Showroom im Erdgeschoss
Voraussetzungen haben, dass sich die
beiden Marken nicht stören". Kommt dazu, dass die
Italiener technisch nahe verwandt sind, "….wir also vor allem auch in der
Werkstatt von Abarth profitieren können". Also ist man auf den Vorschlag
der Fiat Group Switzerland eingestiegen, und wird sich künftig auch mit Abarth
identifizieren.
Im Kasten 800 z
Händlernetz
Gemäss Eurotax hat Alfa Romeo zwischen 2011 und 2012 vier
Stützpunkte verloren und verfügt noch über 39 Hauptvertretungen in der Schweiz.
Das Netz von Abarth wurde von Anfang an auf acht Hauptvertretungen definiert,
dazu kommen aktuell 20 Service-Stellen.
Das Netz von Fiat hat sich um zehn Betriebe reduziert,
umfasst derzeit 35 Haupt- und 98
Service-Vertreter. Lancia bedient derzeit 66 Betriebe (-6
Stützpunkte), darunter 24 Hauptvertreter und 37 Servicestellen. Laut Eurotax
hat die Zahl der Markenvertretungen in der Schweiz (Hauptvertretungen und
Servicestellen bzw. Lokalvertretungen) innert Jahresfrist um sechs Prozent
abgenommen. Die Netze von Suzuki (+ 6), Jeep (+ 6), Dacia (+ 5), Hyundai (+ 4),
Kia (+ 3) und Mercedes (+ 3) wurden in diesem Zeitraum erwähnenswert ausgebaut.
Wk